tag:blogger.com,1999:blog-5508951241499201292024-03-13T12:34:06.007+01:00Ein systemrelevanter TypTagebuch eines SkandalsAnonymoushttp://www.blogger.com/profile/05251875129151740902noreply@blogger.comBlogger3125tag:blogger.com,1999:blog-550895124149920129.post-16343647072672969822012-11-30T06:30:00.000+01:002012-12-02T13:12:30.258+01:00Sauberer letzter DreckNur der Kunde zählt. So argumentieren Unternehmer und mein Chef. Das stimmt aber nicht. Es geht um die Kundenzufriedenheit. Nur um die Zufriedenheit. Der Kunde interessiert nicht. Wenn er nur zufrieden genug ist, auch morgen sein Geld locker zu machen, um eine Dienstleistung oder eine Ware oder beides in Anspruch zu nehmen, dann kann der Kunde auch an Krebs erkranken, es kümmert niemanden. Lieber ein unheilbar kranker Kunde, der Geld reinbuttert, als ein gesunder, der nur ab und zu seine Mücken lockert.<br />
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Zusätzlich gilt, dass die angebotene Ware oder Dienstleistung nicht einwandfrei sein muss. Sie muss nur gerade immer so gut sein, wie der Kunde bereit ist, sie noch zu konsumieren. Sie muss Ansprüchen genügen, sie nicht voll abdecken. Sollte der Kunde irgendwann mit Sägespäne zufrieden sein, gibt es eben künftig Sägespäne. Ist der Einstieg zur Zufriedenheit niedrig, so ergeben sich Sparpotenziale.<br />
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Wenn man den halben Tag am Steuer eines Wagens verbringt, macht man sich so seine Gedanken. Man überdenkt auch vorher selbstverständliche Dinge. Wenn ich den Weibern in der Schule das Zeug bringe, stelle ich mir vor, wie sie bleich und todesnah vor mir stehen und niemand bei uns in der Firma hätte Mitleid oder auch nur Interesse daran. Wichtig ist nur, das bezahlt wird. Andererseits sind diese Weiber auch nicht die Kunden, sondern nur Befehlsempfänger mit hässlichen Gesichtern und schrecklichen Umgangsformen.<br />
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Bevor ich allerdings am Steuer sitze, gilt es aufzuladen. Ich hieve dabei Thermoporte auf die Ladefläche meines Sprinters. Thermoporte sind Plastikkisten mit Heißluftgebläse, in denen der Fraß für die kleinen Scheißer in Edelstahlwannen abgestellt wird. Am Zielort stecke ich diese Kisten an den Strom, damit sich das Bukett der erlesenen Speisen auch entfalten kann. Es gibt verschiedene Touren. Bei manchen ist die Ladefläche überfüllt. Das hat insofern den Vorteil, dass sich alles derart verkeilt, dass nichts kippen kann. Wenn der Sprinter mit weniger beladen ist, dann ist der Preis für die Übersichtlichkeit das Risiko, dass gleich was umfällt und ausläuft und man mordsmäßig Ärger bekommt und nach der Tour auch noch Putzfrauendienst machen darf. Ich putze daheim nie, deswegen drücke ich mich davor auch im Job. Da bin ich konsequent.<br />
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Die Touren sind ausgeklügelt gestaltet. Meist geht es über die Dörfer in der Region und dem, was an der Region so angrenzt. Dörfer mit seltsamen Namen, die so unbekannt sind, dass sie die Einwohner selbst nicht zu kennen scheinen. Zeitdruck ist immer. Staugefahr allerorten. Manchmal ist man schon fünfzehn Minuten in Verzug und man gibt Gas, riskiert fotografiert zu werden, um nicht völlig verspätet anzukommen. Dann fährt man zehn Minuten raus, kommt gerade mal fünf Minuten zu spät und kann sich eine Standpauke einer dieser ungefickten Gouvernantenmösen anhören. Dass ich ihnen ihr Essen früher gebracht habe als ursprünglich, ist denen egal.<br />
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Selbst bei so genannten Minijobs macht man heute einen Arbeitsvertrag. Das ist chic und gibt einen den Eindruck von Rechtssicherheit. Ich habe auch so einen Vertrag. Drei Stunden Arbeit am Tag, Urlaub und Lohnfortzahlung bei Krankheit sind darin geregelt. Nichts davon stimmt oder ist gültig. Das ist kein besonderer Clou meines Chefs, sondern im Niedriglohnbereich absolut üblich. Als ich noch für einen Pizzaservice fuhr, war es auch nicht anders. Wer nicht arbeitet, selbst wenn er krank ist, bekommt kein Geld. Im Gegenzug bekomme ich die Stunden voll und geschwärzt ausbezahlt. Das sind monatlich mehr als die legalen 400 Euro, wenn ich denn fleißig erschienen bin. Das klingt natürlich fair, ist aber Scheiße, wenn man mal eine schlechte Lebensphase hat. Planungssicherheit hat man keine.<br />
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Keiner von uns Gestalten hat die. Wir sind an die zehn Typen. Die meisten älter als ich, manche jenseits der Sechzig. Statt auf einer geilen Oma zu kippeln, schleppen sie Kisten durch die Landschaft. Irgendwas läuft da mächtig schief. Einer von den Opas findet es gut, dass er arbeiten darf. Da kann er sich beweisen, sagt er. Er sei noch jung und agil und wolle etwas tun. So redet er sich die zwei Jahre bis zum Renteneintritt schön. Wenn mal einer so redet, geht es mit ihm nicht mehr lange. Andere fühlen sich als Verlierer des Fortschritts auf dem Arbeitsmarkt. Einer schimpft hinter vorgehaltener Hand, dass er normalerweise sozialversicherungspflichtig wäre, aber durch einen Minijob-Vertrag um seine Beiträge beschissen würde. Alle sind sie gefrustet, alle wissen sie, sie sind der letzte Dreck. Und alle waschen sie sich sauber die Hände vor Dienst und danach. Ich vermute stark, eine unterbewusste Handlung, um als letzter Dreck wenigstens etwas sauber zu sein.Anonymoushttp://www.blogger.com/profile/05251875129151740902noreply@blogger.com7tag:blogger.com,1999:blog-550895124149920129.post-76827646679637533822012-11-28T14:00:00.000+01:002012-12-02T13:12:19.282+01:00Ach, Sie können mich malSagte ich schon, dass das Essen, welches ich ausfahre, erbärmlich schmeckt? Da schicken Sie Ihr Kind in betreutes Fressen und was bekommt es vorgesetzt? Convenience-Produkte, mit Speisestärke versetzte Päckchensoße, Kartoffeltaschen aus dem Discounter, Hamburger-Bratlinge aus dem Tiefkühler und in Plastikwannen umgefüllten Fertigpudding. Geschmack von feinster Beschissenheit. Woher ich das weiß? Sehen Sie, wir Fahrer dürfen uns nach Dienstschluss am Mitarbeiterbuffet bedienen, das sich aus den Resten der Schüler- und Kindergartenkinderverköstigung zusammenwirft. Der Hunger hat es mir schon manchmal reingetrieben. Und die danach auftretenden Krämpfe wieder hinaus.<br />
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Ach Gott, hören Sie nur auf, mich zu einem anständigen Mann verklären zu wollen, nur weil ich hier Missstände öffentlich mache. Ich finde es ja nicht übel, dass die Kröten reicher Wichser diese Scheiße fressen sollen. Mich freut das sogar. Da bekommen sie mal den Dreck aufgetischt, den ansonsten Kinder aus armen Hause kauen müssen. Um die bedürftigen Kinder in Betreuung tut es mir allerdings wirklich leid. Aber um die Schnöselgeburten ganz sicher nicht. Scheiße sollen sie fressen! Wenn ich ihnen den als Essen deklarierten Dreck liefere, blicken sie mich arrogant an, provozieren mich, zeigen mir, dass ich nur zu ihrem Gesinde zu zählen bin. So sind sie es gewohnt von daheim. Bedienstete gafft man unter Snobs überheblich an. Ich kann damit glänzend umgehen, weil ich mir ausmale, wie sie den Dreck runterwürgen und dann stinkenden Durchfall bekommen oder sich hoffentlich erbrechen. Das nenne ich Genugtuung.<br />
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Sie werden mich ein Ekel nennen. Ich kann es Ihnen nicht verdenken. Wahrscheinlich gehören Sie zur Gruppe bessergestellter Scheißer, die Menschen wie mich verachten müssen. Vielleicht spachtelt Ihr Nachwuchs einfach auch nur den Fraß, den Leute wie ich anliefern. Ich würde mich über Menschen wie mich auch ärgern und dabei angewidert die epilierten Nasenlöcher rümpfen, wenn ich aus dem Loch gekrochen wäre, aus dem Sie herkamen. Sehen Sie es aber mal von meiner Warte. Wenn so vorlaute Bengel kostenintensiver gekleidet sind, wie ein erwachsener Mann von einigen stattlichen Jahren, dann entwirft das zwangsläufig Widerwillen. Ich hasse diese Kinder durchaus nicht, auch nicht deren Eltern. Ich wünsche ihnen nur Hämorrhoiden. Nicht an den Arsch, da hat sie jeder, sondern direkt in die Fresse, auf die Lippen oder die Augenlider.<br />
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Sie werden mich eine gescheiterte und folglich verbitterte Existenz nennen. Von Ihrem Standpunkt aus bin ich das natürlich. Sie werden mir überdies die Schuld für mein Dasein als Arbeitskraft für sechs Mücken Stundenlohn in die Schuhe schieben wollen. Das läßt mich kalt. Ich habe zu viele Typen kennengelernt, die genau so tickten und mich belehren wollten. Darauf geschissen! Wenn mir alles zugefallen wäre, wie Taubenschiss auf Autolack, dann würde ich nicht anders argumentieren wie Sie. Vielleicht habe ich es mir manchmal zu einfach gemacht. Mag schon sein. Dass ich das manchmal nicht bereue, wäre gelogen. Aber es ist nicht so, dass ich täglich darüber nachdenke. Über Arschlöcher, die mir die alleinige Schuld für meine Probleme zuschieben wollen, obwohl sie meine Arbeitskraft dringend benötigen, denke ich hingegen schon öfter nach.<br />
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Denn ich bringe denen was zu Kauen, wo sie keine Zeit haben, etwas Kaubares aufzutischen. Heute ihren Kindern, früher, als ich noch Pizza durch die Gegend kariolte, ihnen selbst. Immer fuhr ich auch zeitgleich, das heißt nach dem Dienst, auch noch zum Jobcenter. Meine Chefs kamen nie komplett für mich auf.<br />
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Bruckner, Sie haben versagt, Sie hätten mehr erreichen können. Das werden Sie sich nun denken. Mein Sachbearbeiter denkt es sich nicht, er sagt es. Kladek ist ein konservativ-stupider Mensch, der sein Leben nach Plan baute. Das tat ich nie, ich konnte Pläne nie richtig lesen. Dann fing ich mit dem Schreiben an und alles wurde noch schwieriger, denn ich brauchte Jobs, die sich damit vertrugen. Das taten alle irgendwo, nur vertrugen sich diese Jobs zu keiner Zeit mit meinem Konto. Minijob nennt sich dieses sparsame Konzept. Die Erfindung reicher Scheißkerle, billiges und ausbeutbares Gesindel zu schaffen. Ich werden Ihnen an dieser Stelle nicht erzählen, was Minijob bedeutet, wie sich der Arbeitsalltag gestaltet und welche Diskrepanzen zwischen rechtlichen Ansprüchen und Wirklichkeit liegen.<br />
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Sie würden es aber gerne erfahren? Als letztens jemand das von mir erfahren wollte, gab es danach Gebrüll. Kladek fragte mich bei einem Termin, wie sich mein Arbeitsalltag beim Catering so gestalte. Ich gab Interna preis, was es bedeutet, von faulen Bürokraten wie ihn in Arbeitsgelegenheiten manövriert zu werden, die es nur gibt, seitdem jede Arbeit für zumutbar erklärt wurde. Ich gebe zu, ich redete mich in Rage. Kladek bat um Beruhigung und ich wurde nochmals lauter. Und Kladek wurde ebenfalls laut. Ich stand auf, riss die Tür seines Büros auf, hieß ihn nochmal einen idiotischen Einfaltspinsel, der mich am Arsch lecken dürfe, und schmiss die Türe hinter mir energisch ins Schloss. Und das war's dann.Anonymoushttp://www.blogger.com/profile/05251875129151740902noreply@blogger.com6tag:blogger.com,1999:blog-550895124149920129.post-23212926560763756762012-11-26T18:30:00.000+01:002012-12-02T13:12:06.118+01:00Meine beschissene RelevanzEgal was Sie noch von mir lesen werden, ich bin einer der Typen, die
systemrelevant sind. Für etwa sechs Mücken mache ich mir den Rücken
krumm. Bringe für einen Caterer das Essen an Schulen und in
Kindergärten. Eine schmerzhafte Geschichte. Systemrelevanz fühlt sich
nur gut an, wenn man für seine Verantwortungslosigkeit
Milliardenzuschüsse bekommt. Meine tut weh. Meiner Bandscheibe und
meinem Selbstwertgefühl.<br />
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Den Kindern von reichen Arschlöchern Convenience Food bis vor die
Teller zu fahren, ist sicher kein Lebenstraum. Glauben Sie mir, ich habe
mir etwas anderes vorgestellt im Leben. Spaß und so. Flotte Geschichten
habe ich mir ausgemalt. Stattdessen fahre ich für ein
Catering-Unternehmen Fressen durch die Gegend. Aber ich bin alt und
brauche das Geld.<br />
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Wir sind eine ganze Brigade von Typen, die sich systemrelevant von
der Brut reicher Wichser ärgern läßt. Und sind es nicht die, dann sind
es eben die Kindergärtnerinnen oder Lehrerinnen des Wichsernachwuchses,
die uns das Leben zur Depression machen. Die jede zu späte Minute
notieren und uns Fressen durch endlose Räume schleppen lassen, das
besser auf dem Boden fiele, damit sich daran keiner vergiftet.<br />
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Was wären die ganzen neu- und altreichen Ärsche ohne uns? Bumsen sich
Kinder auf die Welt, machen aber munter weiter an ihren Karrieren und
schieben ihre Kinder in Einrichtungen, lassen sie betreuen, ins Bett
bringen, bekochen und ihnen das Tiefkühlschnitzel portionieren. Am Abend
streicheln sie ihrer Lendenfrucht das gepflegte Haar und nennen sie
Liebling und Schatzi. Dasselbe Liebling und Schatzi, dass mir noch
Stunden vorher im Weg stand, mir den Stinkefinger zeigte, mich mitsamt
Beladung rempelte und mir verächtliche und versnobte Blicke zuwarf.
Lieblinge, die nichts als Arschlöcher sind, wie ihre Alten auch.<br />
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Ich brauche Ihnen wohl nicht zu sagen, wie nervtötend so eine
tägliche Tour ist. Der lästige Zeitdruck, dazu riecht die gesamte
Fahrerkabine nach Fett und Schweiß. Das Radio dudelt immer dieselbe
Scheiße und der Moderator ist ein gut gelaunter Pisser, wie es ihn
nirgends, nur im Radio gibt. Dann die alten Säcke, die vormittags die
Straßen unsicher machen und die egoistischen Kleinwagenfahrer, die sich
in Be- und Entladezonen stellen und auch noch pampig werden, wenn man
ihnen den Finger zeigt. Und dann habe ich da auch noch einen Chef. Soll
ich zu dem etwa auch was sagen?<br />
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Diese von der Unternehmensleitung beschlossene Freundlichkeit widert
mich an. Guten Morgen. Selbstverständlich. Schöner Tag noch. Ach, fickt
euch doch! Bei manchen fällt es nicht schwer, die sind sogar nett oder
wenigstens nicht völlige Pissnelken. Andere sind einfach nur ungefickte
Mösen, denen man genauer betrachtet nicht mal Würstchen ausliefern
dürfte, weil man nicht wissen kann, zu was sie die gebrauchen aus purer
Verzweiflung. Die schlimmste Sorte sind die, deren Freundlichkeit darin
besteht, dass sie einen nicht gleich anschreien, wenn man zur Türe
reinkommt und die einem das Leergut vom Vortag dreckig und stinkend in
die Hand drücken. Schon mal zwei Tage alte Rotkohlreste gerochen? Seien
Sie sich sicher, Sie werden den Platz in den Achselhöhlen ihrer Oma oder
die Bauchfalte eines fetten Mannes lieben, nachdem Sie stundenlang im
alten Rotkohldampf durch die Gegend gurkten.<br />
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Keine sechs Mücken in der Stunde ist dieser ganze Spaß wert. Der
Pausenclown reicher Eltern Kinder zu sein, kann man billig haben. Was
wären diese Leute ohne Menschen wie mich? Sie ahnen nicht mal, wie sehr
sie mich brauchen. Ach, leckt mich doch alle.Anonymoushttp://www.blogger.com/profile/05251875129151740902noreply@blogger.com13